Wenn man sich in der digitalen Welt, aber auch in der analogen, realen Arbeitswelt, so umschaut und -hört, ist häufig die Rede von Agilität. Und jetzt auch in meiner Welt als agiler Lerncoach und damit auf diesen Seiten. Immer wenn ich davon erzähle, ist eine der ersten Fragen, was das denn eigentlich sei. Viele äußern auch die Vermutung, dass es irgendetwas mit Bewegung zu tun habe. Mit Bewegung kann es zu tun haben, aber es geht doch eher um Beweglichkeit und dann auch vor allem um geistige und kreative. Körperliche Beweglichkeit schadet natürlich nie – wir haben alle schon einmal von dem gesunden Geist im gesunden Körper gehört, denke ich. Beim agilen Lernen ist das aber nicht der primäre Fokus.
Was verstehe ich unter agilem Lernen?
Jenseits der vielen vorhandenen Definitionen und Abgrenzungsversuche steht agiles Lernen für mich vor allem
- für selbstbestimmtes Lernen,
- für Lernen, das der Inspiration und/oder einem aktuellen Bedarf folgt,
- für Lernen, das im Austausch stattfindet,
- und für Lernen, das Spaß macht.
Was meine ich damit? Ich bestimme selbst, was ich lernen möchte und integriere das Lernen als kontinuierlichen Prozess in mein Leben. Lernen findet für mich nicht punktuell und aus einer bestimmten aktuellen Wissens- oder Kompetenznot heraus statt, sondern ist Bestandteil meines Alltags. Ich verfolge definierte Lernziele, lasse mich aber nicht durch strenge Regeln einschränken. Für mich gehört dazu, dass ich Dinge ausprobiere und Fehler mache. Ich folge meinen Interessen und Bedürfnissen. Ich muss Lust darauf haben. Um inspiriert lernen zu können, ist mir der Austausch über das Lernen an sich und über die konkreten Lerninhalte wichtig, d.h. ich versuche immer vernetzt zu lernen und Menschen zu finden, mit denen ich mich austauschen kann – seien es Expert*innen zu speziellen Fragen oder einfach Lernenthusiasten wie ich. Denn ich lerne nur, wenn ich Spaß daran habe. Und der Spaß kommt im Kontakt mit anderen und beim Experimentieren und Ausprobieren.
Warum unterstütze ich agiles Lernen?
Ich bin überzeugt davon, dass der Mensch ein lernendes Wesen ist. Für mich ist Lernen ein menschliches Bedürfnis, also irgendwie Teil der menschlichen DNA – vielleicht nicht im wissenschaftlichen Sinne. Oder vielleicht doch? Im Biologieunterricht habe ich mal gelernt, dass die Evolution, an der wir ja teilhaben, eine ständige Entwicklung, also ein Lern- und Anpassungsprozess ist. Und wenn man mal überlegt, aus welchen Wesen bzw. natürlichen Zuständen der Mensch hervorgegangen ist, dann hat er bis heute echt viel gelernt, zum Guten wie zum Schlechten. Im Laufe dieser Evolution ist das Lernen leider immer mehr in vorgegebene Rahmen gestopft worden, über die der natürliche Zugang zum Lernen in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
Noch so ein Spruch: „Wir lernen fürs Leben.“ Dafür gehen wir in die Schule, streben nach guten Zensuren und tun dies, damit wir erfolgreich sind und die Normen eines sogenannten guten Lebens erfüllen können. Wir lernen, um zu bestehen, vor allem Prüfungen und Beurteilungen, um bestimmte Kriterien zu erfüllen, um einen bestimmten sozialen Standard zu erreichen und zu bewahren. Wir lernen eher weniger fürs Leben oder, um lebendig zu sein, um zu entdecken und auszuprobieren, um zu scheitern, um uns zu freuen.
Ich bin der Überzeugung, das agiles Lernen uns hilft, die Freude, Neugier und Abenteuerlust am Lernen wiederzuentdecken. Das es uns hilft, das Lernen nicht mehr als lästige Pflicht zu betrachten, sondern als bereichernde Kür, auch wenn wir bei der nächsten Fortbildung vielleicht erst einmal an unsere beruflichen Pflichten und Notwendigkeiten denken. Aber wenn wir selbst darüber entscheiden, was und wie wir lernen und damit die Kontrolle über unser eigenes Lernen zurückerobern, kann auch die Notwendigkeit, ein neues Programm lernen zu müssen, mich bereichern und weiterentwickeln.
Wie setze ich es um – für mich und für andere?
Okay, werden wir mal konkret. Schöne Ideen allein verändern meine Haltung zum Lernen noch nicht. Zunächst könnte es hilfreich sein, zu überlegen, was ich schon immer mal lernen wollte, was mich wirklich interessiert und was mir Spaß machen könnte. Dem würde ich gegenüberstellen, was ich lernen ‘muss’, weil ich das Gefühl habe, etwas nicht ausreichend gut zu können, oder weil ich eine berufliche, fachliche Entwicklung nicht verpassen möchte, weil mein Arbeitgeber das verlangt. Beide Seiten sollten bedient werden, im besten Fall lassen sie sich kombinieren. Aus dieser Sammlung von Lernthemen lassen sich dann konkrete Lernideen planen und umsetzen.
Wie und wo kann ich meine speziellen Lernideen am besten lernen? – Online, in Präsenzseminaren, auf Ausflügen in die Natur, über einen langen Zeitraum mit vielen Praxisanteilen, in kurzen und knappen theoretischen Einführungen, Zusammenfassungen, Überblicken? Was brauche ich, um meine Lernideen zu verwirklichen? – Kann ich auf vorhandene Ressourcen, Kontakte usw. zurückgreifen, muss ich recherchieren, mir bestimmte Dinge anschaffen? Wie lange brauche ich, um erste Lernergebnisse, -fortschritte, -teilziele erreichen zu können, und wie kann ich die benötigte Zeit in meinen sonstigen Alltag integrieren?
Dies sind Fragen, die in der Planung bedacht werden, damit ein erstes konkretes Ziel in Angriff genommen werden kann. Im Anschluss lege ich einen Zeitraum für das Lernprojekt fest und überlege mir Kriterien, anhand derer ich erkenne, dass ich mein Ziel erreicht habe. Es kann hilfreich sein, das Lernen in mehrere Etappen aufzuteilen, um sich nicht gleich am Anfang zu überfordern und die Lernschritte überschaubar zu halten.
Wichtig ist, immer wieder, aber vor allem am Ende des Lernprojekts noch einmal zurückzublicken und zu schauen, was man erreicht hat, oder zu überlegen, was man hätte anders machen können, – und danach weiterzumachen mit dem nächsten Lernziel.
Agil Lernen ist keine Zauberkunst und klingt plötzlich auch nicht mehr wie ein ‘Ding’ aus einer anderen Galaxie. Agil Lernen ist einfach ein strukturiertes Vorgehen, das dir hilft, deine eigenen Lernziele zu erreichen und das Lernen zu einem selbstverständlichen Teil deines Alltags zu machen.
Warum aber heißt es nun ‘agil’? Wo kommt das her? Darum wird es im nächsten Beitrag gehen, in dem ich am Beispiel eines konkreten Lernformats auf die Theorie hinter der Idee eingehe.
[…] Agilen beschreibt ein Sprint eine feste Zeitdauer, innerhalb derer bestimmte Aufgaben erledigt werden […]