Das Dilemma der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familien steht für viele Familien im Zentrum einer Entscheidung für bzw. gegen das eine oder das andere. Man sollte annehmen, dass nach jahrzehntelangem Gerede darüber, Lösungen parat sein sollten, die Müttern wie Vätern gleichermaßen die Möglichkeit bieten, ihren beruflichen Werdegang und ihre familiäre Planung gleichberechtigt zu verfolgen – mit gleichen Chancen für beide Geschlechter, für die Karriere und für die Kinder oder die zu pflegenden Familienangehörigen.
Es ist nicht nur die Politik gefordert, Bedingungen zu schaffen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, noch ist es eine ausschließlich private Angelegenheit der Arbeitnehmerinnen, Lösungen zu finden. Dies liegt auch im Interesse und ist eine Aufgabe für Arbeitgeber und Unternehmen. Denn für viele Menschen ist die Möglichkeit, Familie und Arbeit miteinander zu verbinden, inzwischen ein wichtiges Kriterium bei der Arbeitsplatzwahl.
Das Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik weist in Studien nach, dass sich familienbewusste Personalpolitik positiv auf die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse von Unternehmen auswirkt. Sie beeinflusst nicht nur die Motivation der Beschäftigten positiv sondern führt auch zu geringeren Fehlzeiten und Krankheitsquoten. Familienfreundliche Strukturen in Unternehmen lohnen sich für alle. Für die Beschäftigten wird das Zusammenspiel ihrer beruflichen und privaten Lebenswelt wieder planbar, denn familienfreundliche Arbeitsbedingungen ermöglichen kalkulierbare Entwicklungsmöglichkeiten. Aber auch Unternehmen profitieren. Betriebliches Familienbewusstsein muss ein fester Bestandteil der strategischen Personal- und Unternehmenspolitik sein. Durch praktiziertes Familienbewusstsein sinken Kosten für die Überbrückung der Elternzeit und die Wiedereingliederung der Beschäftigten und es steigt die Zufriedenheit der Beschäftigten, was wiederum zu einer höheren Mitarbeiterbindung und Attraktivität für hochqualifizierte Jobsuchende, zu größere Produktivität und geringeren Krankenzeiten führt.
Familienfreundliche Arbeitsbedingungen in der Buchbranche
Ein Weg im Unternehmen eine Auseinandersetzung zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie fruchtbar zu führen sind Audit-Verfahren und Zertifizierungen, die betrieblichen Strukturen und Zielen Familienfreundlichkeit bescheinigen. Sie sind Ausdruck einer strategischen Entscheidung für eine zukunftsorientierte Personalplanung. Auf Vorschlag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels stellen die BücherFrauen in ihrem Whitepaper „Vorsicht Familie? die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist machbar und wünschenswert“ die Zertifizierung der Frankfurter Buchmesse Ausstellungs- und Messe GmbH beispielhaft als einen äußerst kommunikativen Prozess vor, der die Beschäftigten auf allen Ebenen einbezieht, in dem Mitarbeiter(innen)wünsche wie Unternehmensziele berücksichtigt werden und schließlich relativ schnell zu konkreten Ergebnissen führte. Die Zertifizierung durch die Hertie-Stiftung wird von externen, unabhängigen Experten begleitet, die die Zielformulierung, Planung und Entwicklungsschritte überprüfen. Unser Fallbeispiel zeigt, dass schon die Einführung von verlässlichen und grundsätzlichen familienfreundlichen Strukturen die Beschäftigten dadurch entlastet, dass ein Angebot für außerordentliche Betreuungsnotfälle von Kindern und ein Beratungsangebot bei Pflegefällen besteht. Darüber hinaus wurden Regelungen zu Arbeitszeiten und -orten (Gleitzeit, Home Office) sowie zur Arbeitsorganisation (besprechungsfreier Tag, Ampelkontenregelungen) getroffen, die viel Flexibilität in der individuellen Arbeitsgestaltung zulassen. Aber auch Aspekte wie Elternzeit bzw. die Wiedereingliederung nach der Elternzeit und die gesundheitliche Vorsorge waren und sind Themen der Zertifizierung der Frankfurter Buchmesse Ausstellungs- und Messe GmbH.
Mit dem Whitepaper möchten wir die Diskussion über Arbeitsbedingungen in der Buchbranche vertiefen und Argumente dafür liefern, dass Familiengründung und Elternzeit keine Karrierebremsen für die Beschäftigten in der Branche sein müssen. Sicherlich wird mit der Zertifizierung der Buchmesse ein Unternehmen vorgestellt, das nicht unbedingt repräsentativ für die meisten Unternehmen in der Branche ist. Aber dennoch zeigt das Beispiel, dass es Lösungen geben kann, wenn man nur anfängt darüber nachzudenken und bereit ist, selbst Verantwortung dort zu übernehmen, wo die Politik noch zögert. Auch kleine Schritte sind Schritte, wenn sie nach vorne gerichtet sind. Uns geht es um Unternehmenskulturen und –werte, die sich nicht ausschließlich durch Betriebsergebnisse definieren lassen.
In diesem Blog soll ein Forum entstehen, in dem Fragen nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nach den Arbeitsbedingungen in der Buchbranche aber auch nach neuen Rollenmodellen diskutiert werden können. Beteiligen Sie sich, indem sie diesen und die folgenden Beiträge teilen, das Whitepaper verteilen und mit anderen darüber reden, hier Ihre Kommentare hinterlassen oder selbst einen Beitrag verfassen. Wir sind gespannt!
Zum Whitepaper „Vorsicht Familie?“ der BücherFrauen (PDF)
Der Beitrag ist zu erst auf dem BücherFrauen-Blog erschienen.